Freitag, 20. Februar 2015

Unser Umweg

Es war jetzt eine Weile still um mich und meine Süßen. Ich möchte ganz kurz zusammenfassen, was uns seit dem letzten Eintrag vom Juli passiert ist.

Im Moment befinden wir uns auf einem Umweg, der aber unausweichlich begangen werden musste. Der Weg geht für uns aber noch weiter, wir haben keinen Zustand gefunden, der länger anhalten wird. Nur ein bisschen Ruhe auf dem Weg.

Nachdem ich im Juli mit der freien Schule gesprochen und letztendlich doch die Absage erhalten hatte, dass sie ihre Hand über das Unschooling von Naturkind legen würden, wollte ich ja eigentlich die Diskussion mit dem Kindsvater suchen. Jedoch war die freie Schule leider schneller und hat eine aktualisierte Adressliste an alle Eltern verschickt, in der Naturkind nicht mehr zu finden war - obwohl ich noch gar keine offizielle Abmeldung vorgenommen hatte. Damit haben sich für uns die Ereignisse überschlagen, ich nehme an, der Vater ist schlichtweg in Panikmodus verfallen.

Jedenfalls hat er in einer sehr übereilten Aktion Jugendamt, Schulbehörde, Rechtsanwalt und die Grundschule schräg gegenüber von meiner Wohnung eingeschaltet und begonnen, starken Druck auf mich auszuüben. Das ging so weit, dass er die Kinder, die in den Sommerferien bei ihm zu Besuch waren, nicht mehr nach Hause gehen lassen wollte, bevor nicht eine Schulanmeldung von Naturkind vorliegt.
Ich war zu dieser Zeit wirklich sehr belastet, vor allem der Verrat aus engsten Reihen war für mich schwer zu tragen. Heute verstehe ich, dass er aus Angst vor Strafe gehandelt hat, wie es ihn seine eigene schulische Erziehung offensichtlich sehr gut gelehrt hat.

Meine Entscheidung, wie ich darauf reagieren möchte, musste ich treffen, während er meine Kinder quasi als Geiseln hielt. Ich empfand die Situation als extrem unangenehm und musste signalisieren, dass diese Art der Kommunikation zwischen Eltern nicht funktioniert (über Anwalt und Ämter). Deswegen habe ich mich entschieden, meinen Wohnsitz erstmal ins Ausland zu verlegen.

Das funktionierte bei mir relativ reibungslos, da ich grenznah in Deutschland gewohnt hatte und so die alte Arbeit erstmal behalten konnte. Innerhalb von zwei Wochen nach meinem Entschluss war ich schon umgezogen. Das war eine Rekordleistung, eine Wohnung zu finden, die auch sofort bezogen werden konnte.

Im Nachhinein hätte ich mir den Schritt vielleicht sparen können, denn die Kinder wurden vom Vater sogar noch vor Ablauf der Ferien zurück gebracht. Ich nehme mal an, es wurde ihm auf Dauer zu anstrengend mit ihnen, denn sie sind von mir eine starke Präsenz ihnen gegenüber gewohnt, die er nur schwer aufbringen kann.

Der Umzug war da aber schon erledigt. Komischerweise hatte er durch die Legalität am neuen Wohnort nichts mehr gegen Unschooling einzuwenden. Es ging ihm also weniger um die Bildung selbst als mehr um die Legalität.

Noch sind wir nun in Frankreich, grenznah. Beide meiner Kinder bilden sich jetzt frei. Ich bin froh, dass ich diesen Schritt getan habe um mehr Zeit zu haben für das Wesentliche: die Bildung der Kinder.

Aber jetzt sind wir ein halbes Jahr hier. Und ich merke, dass der Weg bald weitergehen wird. Ich habe vor, nach Deutschland zurück zu kehren. Aber noch habe ich das Bild nicht genau im Kopf.

Aktuelle Situation in Deutschland & Medienberichte

Aktuell ist das Thema Homeschooling/Unschooling gerade sehr stark in den Medien in Deutschland. Mit dem Kinofilm "Being and Becoming" von Clara Bellar wird zum ersten Mal auch in Deutschland eine breitere Öffentlichkeit angesprochen.

Daneben gibt es immer mehr Radiobeiträge über tapfere Vorreiter, die es wagen, sich der Schulpflicht in Deutschland offen entgegen zu stellen, z.B. Familie Brunner:



Aber auch sonst gibt es immer mehr Medienberichte über eine Bildung außerhalb der Schule:

Interessant ist das Thema auch für Juristen, denn die gängige Praxis zum Schulzwang ist anscheinend nicht einmal vereinbar mit dem deutschen Grundgesetz:



Zusätzlich befassen sich unzählige deutsche Facebook-Gruppen mit diesem Thema. Es gibt Gruppen in denen Familien diskutieren, die nach einem geeigneten anderen Land suchen, in das sie auswandern mögen, Gruppen, in denen Alleinerziehende diskutieren, wie Unschooling finanziell für sie möglich ist, Gruppen in denen politisch diskutiert wird.
Und natürlich auch das Unschooling selbst ist ein Themenbereich mit viel Diskussionsbedarf: wie mache ich das denn?

Nach wie vor steht in Deutschland leider die organisatorische Frage oftmals weit im Vordergrund. Die Entscheidung, sich um die Bildung seiner Kinder außerhalb des Schulsystems kümmern zu wollen, trägt sich nicht auf leichten Schultern. Die Verantwortung selbst zu übernehmen ist zwar ein natürlicher, jedoch auch sehr mutiger Schritt. Da braucht man eigentlich seine ganze Kraft und Kreativität für die Bildung selbst. Um zu überlegen, wie man vorgehen möchte, den eigenen Weg zu finden, sich auszutauschen, den Kindern eine reichhaltige Umgebung anzubieten, so dass sie möglichst viel von der Welt begreifen können.

Stattdessen drehen sich die ersten Fragen von interessierten Eltern um organisatorische Dinge. Die Hauptfrage bei denen, die es ernst meinen, ist dabei oft:
Auswandern in ein anderes Land? Auswandern ohne Wohnsitz? Bleiben und kämpfen? Bleiben und verstecken? Freie Schulen als Kompromiß?

Und nachgelagert dann viele organisatorische Einzelfragen. Auf die Bildung selbst kann entsprechend viel weniger Energie verwendet werden.

Durch die vielen Berichte in den Medien habe ich persönlich die Hoffnung, dass sich die Situation in Deutschland zunehmend verbessert. Von verstecken zu dulden zu ertragen zu erlauben. Jedoch braucht es hier vielleicht noch mehr Leute, die so mutig sind wie Frau Brunner vom oben verlinkten Artikel. Ich muss leider gestehen, dass ich selbst nicht so mutig bin.