Mittwoch, 30. April 2014

Offene Worte

Mein Kind ist jetzt schon 3 Schultage abgemeldet. Allerdings nicht von der Schule, nur vom Wohnsitz. Naja. "Nur" ist wohl nicht das richtige Wort. Ich warte schon jeden Tag auf behördliche Schreiben. Gestern lag tatsächlich etwas vom Jugendamt im Briefkasten. Da hat mein Herz schneller geklopft. Aber es war nur eine Beratungsbroschüre. Standardpost wenn ein Scheidungsantrag ans Familiengericht herangetragen wird. Puh.

Dennoch ist es an der Zeit, ein paar offene Worte zu verlieren. Meine Mutter weiß jetzt Bescheid. Begeistert ist sie nicht, aber wirklich dagegen anscheinend auch nicht. Jedenfalls blieb das ganz große Theater aus. Dafür habe ich jetzt einen Reisebuddy für Naturkind gewonnen, für die vielen Auslandsreisen. Vielleicht reisen sie ja wirklich mal zusammen.

Offene Worte habe ich auch der Lehrerin gegenüber gesprochen, die Naturkinds Jahrgang an der freien Schule betreut. Ich habe ihr gesagt, dass sie offiziell abgemeldet ist. Die Reaktion war: "interessant, was alles möglich ist, wenn man es nur macht". Jetzt steht eine große Gesprächsrunde mit dem Vorstand an. Ich möchte gerne, dass Naturkind zur Schule darf wenn sie möchte; sie hat dort auch einige Freunde. Den vollen Beitrag zahlen möchte ich allerdings weniger gerne.

Nach diesen beiden Offenbarungen fühle ich mich schon deutlich entspannter. Die Karten liegen jetzt teilweise auf dem Tisch. Vieles muss noch geklärt werden, aber die ersten Anläufe habe ich geschafft.

Es ist sehr erleichternd, den Druck nicht mehr so stark zu spüren. Ich muss keine Entschuldigungen für die Schule mehr erfinden. Ich muss keine Bettzeiten mehr durchsetzen. Jetzt gilt es, den neuen Alltag zu finden.

Montag, 28. April 2014

Druck

Ich merke, wie sich mein Verhalten ändert, wenn ich unter Druck stehe. Ich reagiere leicht gereizt, verwende scharfe Worte oder greife zu erpresserischen Mitteln. 

Der Kontrast zwischen Ferien und Schulzeit ist besonders extrem. Die Kinder können in den Ferien  wach bleiben, so lange sie wollen. Fast von alleine pendelt sich der Ausklang des Abends gegen Mitternacht ein. Am nächsten Tag können sie ausschlafen so lange sie wollen. Der ganze Tag beginnt entspannt und endet entspannt.

Ob ich selbst zur Arbeit muß oder nicht ist eigentlich irrelevant. 6 Stunden Schlaf reichen mir auch, also stehe ich in den Ferien einfach auf und lasse die Kinder in Ruhe ausschlafen.

Wenn jedoch am nächsten Morgen Schule ansteht, dann ist alles anders. Der Abend beginnt um 20:00 spätestens hektisch zu werden. Die Kinder müssen ins Bett, damit sie genug Schlaf bekommen. Tja. Um 22:00 Uhr werde ich langsam genervt. Letztendlich gehen meine Kinder begleitet von scharfen Worten zu Bett. Viel zu spät und ohne Geschichte. Dabei machen Naturkind und ich im Bett abends sonst immer Tandem-Lesen. Keine Zeit, keine Zeit. Viel zu spät, morgen müssen wir raus. 

Am nächsten Morgen dann klingelt quasi mitten in der Nacht ein erbarmungsloser Wecker. Ich bin meistens schon etwas eher wach, denn ich brauche, wie gesagt, nicht so viel Schlaf. Zöpfchen wacht oft auch schon durch den Wecker auf und rafft sich dann tapfer alleine auf. Mit dicken Augenringen, aber sie geht auf eigenen Wunsch zur Schule. Weil sie sich im Moment dafür entschieden hat.

Naturkind jedoch liegt im Tiefschlaf, wenn der Wecker rasselt. Wach wird sie davon natürlich nicht. Meistens bringe ich es nicht übers Herz, sie zu wecken. Da liegt ein Kind, das einfach noch so müde ist, dass es den lauten Wecker nicht hört! Sie zuckt nicht mal. Wenn ich sie dann doch wachrüttle, dann jammert sie, dass sie noch müde ist und ihr kalt ist. Ich fühle mich richtig gewalttätig, wenn ich sie dann wachkitzle und zum Aufstehen bewege. Sie zieht dann mehrere Pullover übereinander, weil ihr so kalt ist. Oder besser gesagt: ich ziehe sie ihr an, denn wir haben ja keine Zeit, um darauf zu warten, dass sie sich selbst anzieht. Naturkind wird dadurch wieder zum Kleinkind. Abgefertigt wie auf dem Fließband.

Dieser zeitliche Druck und der damit verbundene Stress haben Auswirkungen auf unser Familienleben, die ich nicht tragbar finde:
-Ich verfalle in autoritäre Muster, um meine Kinder zu einer Zeit ins Bett zu treiben, zu der sie schlicht noch Interesse an an anderen Tätigkeiten haben.
-Dadurch verhindere ich in diesem Moment ihr Lernen.
-Am nächsten Morgen muss ich Gewalt anwenden, um eine zeitliche Anforderung zu erfüllen.
-Oftmals hat mir Naturkind gesagt, bereits am Vorabend, dass sie nicht zur Schule will. In solchen Fällen setze ich mich über ihre Meinung hinweg, erlaube ihr nicht, selbst Verantwortung zu tragen.
-Die Selbstbestimmung leidet insgesamt. Auch die Verantwortung für den eigenen Körper und das Erfahren und Kennenlernen der Signale des eigenen Körpers (z.B. Müdigkeit)

Dieser Druck muss einfach weg. Er passt nicht zu unserem Leben. Geht ein Kind freiwillig zur Schule oder zu einer Veranstaltung, so ist das toll. Zöpfchen macht das so. Dieses Kind ist dann auch bereit, auf Schlaf zu verzichten oder anderer Dinge zu entbehren um diese Veranstaltung zu erleben. Aber wenn das Kind andere Interessen hat, dann möchte ich es nicht zwingen, nur weil ein äußerer Druck existiert, eine gesellschaftliche Erwartung, die ich nicht erfüllen möchte.


Lernen

Naturkind kann lesen. Das hat sie aber nicht in der Schule gelernt. Irgendwann kam sie zu mir und wollte lesen lernen. 6 Wochen später konnte sie Druckschrift lesen. Mit Feuereifer las sie und las sie. Ich saß einfach nur daneben und half ihr gelegentlich oder las zwischendurch ein Stückchen. Wenn sie nicht mehr wollte, legte sie das Buch weg. Wir haben auch das Lesetraining der Hauptschule Bramberg ein bisschen ausprobiert, aber das hat sie schnell wieder abgelegt.

Nach einigen Wochen, in denen sie freiwillig mit meiner Begleitung las, wann immer sie wollte, begann sie, auch ohne mich zu lesen. Wir genießen weiterhin gemeinsame Lesezeit. Ich lese dann aus einem Buch vor, das für sie noch zu klein geschrieben ist, sie liest mir aus ihrem Erstleserbuch vor. Schreibschrift lesen hat sie zwischenzeitlich auch gemeistert.

Rechnen über den Zehner hat sie mit dem Fragenbär gelernt, einem PC-Spiel, das ihr sehr viel Spass gemacht hat.

Das Zählen von Euros und Cents kam durch Taschengeld und eigenständige Einkäufe im nahegelegenen Supermarkt.

Ich habe nichts davon forciert, sondern bemühe mich, ihren Interessen entgegen zu kommen und gleichzeitig reine Konsumhaltung weder vorzuleben noch zu fördern. So bleibt mehr Zeit für eigene Kreativität.  

Wozu brauche ich nochmal die Grundschule?


Sonntag, 27. April 2014

Abmelden

Was passiert eigentlich, wenn ich mein Kind in Deutschland abmelde? Keiner weiß es so genau, die Mühlen der Bürokratie mahlen im Geheimen. Selbst für die Sachbearbeiterin im Einwohnermeldeamt ist es nicht transparent, welche Folgen eine Abmeldung hat, welche Behörden noch informiert werden. 

Konkret sind folgende Dinge interessant:
1) Einwohnermeldeamt. Ich will das Kind abmelden, aber nicht im Ausland anmelden. Geht das? 
So sieht es aus: Ich habe es ohne Probleme geschafft, mein 6jähriges Kind abzumelden. Als neuen Ort habe ich angegeben "Reise". Die Sachbearbeiterin hat zunächst auf einen Ort im Ausland bestanden, aber ich habe ihr erklärt, dass die Abmeldung aus rein formalen Gründen erfolgen muss, wegen der Schulpflicht in Deutschland. Und dass wir bis zu den Sommerferien reisen wollen, verschiedene Freunde in verschiedenen Ländern besuchen. Mich selbst habe ich natürlich nicht abgemeldet. Ich bin ja auch nicht mehr schulpflichtig... Zum Abmelden habe ich lediglich eine Kopie des Kinderreisepasses benötigt. Meine Unterschrift als Mutter hat alleine ausgereicht. Die Sachbearbeiterin hat mich dann noch darauf hingewiesen, dass es Probleme mit dem Kindergeld geben könnte. 
Daher interessiert mich als nächstes:

2) Kindergeldkasse. Bekomme ich weiterhin Kindergeld?
So lange ich meinen Wohnsitz in Deutschland habe und mein Kind dort auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt, sollte alles seinen Gang gehen, jedenfalls nach diesem Merkblatt einer deutschen Botschaft. Das heißt für mich konkret: auch wenn mein Kind abgemeldet ist, bleiben die Verhältnisse für den Bezug des Kindergeldes unverändert, so lange im Inland der gewöhnliche Aufenthalt ist. Egal wie oft das Kind verreist und wo es gemeldet ist. Insofern werde ich der Kindergeldkasse erstmal gar nichts melden und abwarten, welche Automatismen des Behörden-Dschungels durch die Abmeldung greifen.

3) Jugendamt. Wir sind dort schon bekannt, hatten schon Gespräche aus verschiedenen Gründen. Für das Jugendamt sind Kinder, die nicht in Deutschland gemeldet sind, eigentlich nicht im Aufgabenbereich. Sollte ich das Jugendamt proaktiv informieren, damit die wissen, dass ich Naturkind abgemeldet habe? Ich werde es erstmal lassen und herausfinden, ob die Behörden sich untereinander austauschen.

Das ist die Ausgangslage heute. Jetzt muss ich mit der freien Schule besprechen, wie wir mit der neuen Situation umgehen. Eine Taktik dafür habe ich im Moment noch nicht.

Was ich allerdings habe, ist etwas Angst. Es ist schon ein komisches Gefühl, bewusst ein Kind abzumelden, das zwar ab und an mal im Ausland sein wird aber hauptsächlich weiterhin hier wohnen wird. Nur ohne Schulpflicht. Ich höre schon die Sirenen des Polizeiautos, das die Jugendamtsleute bringt die mir mein Kind wegnehmen werden. Rational betrachtet ein totaler Quatsch, aber das ungute Gefühl verbleibt in der Magengegend.

Über Unschooling zu reden und die Idee fortzutragen solange die Kinder noch nicht schulpflichtig sind, ist etwas ganz anderes als tatsächlich etwas in diese Richtung zu tun. Ich bewege mich in unserem Staat hier an den Grenzen zur Legalität oder muss diese sogar überschreiten. Wieso mutet ein moderner Rechtsstaat mir so etwas zu? Ich komme mir vor wie ein Verbrecher. Dabei geht es hier um das Wohl meines Kindes. Und das sollte bei allen Eltern im Vordergrund stehen.










Samstag, 26. April 2014

Vorgeschichte

Ich bin alleinerziehend (mit geteiltem Sorgerecht) und habe 3 liebreizende Töchter. Vor ca. 2 Jahren habe ich zum ersten Mal von Unschooling gehört. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits viele unschöne Erlebnisse mit dem staatlichen Schulsystem gesammelt. Meine Älteste, ich werde sie hier im Blog "BigBlueEyes" nennen, war bereits ein depressiver Teenager, total ausgebrannt und ich am Ende mit meiner Weisheit. Zöpfchen, meine Mittlere, war gerade mit der Grundschule fertig geworden und brannte darauf, Englisch zu lernen. Naturkind (die jüngste Tochter) hatte soeben von einem relativ offenen Halbtagskindergarten in einen ziemlich schulisch orientierten Ganztagskindergarten gewechselt. Wohl fühlte sie sich dort leider nicht.

Als ich von Unschooling hörte, kam mir das Konzept so plausibel und einleuchtend vor, so natürlich. Ich begann mich mehr zu informieren, gleichzeitig entwickelte ich eine kritischere Haltung gegenüber dem staatlichen Schulsystem und auch gegenüber gesellschaftlichen Zwängen in Deutschland.

Vieles hat sich bewegt seither, Unschooling hat immer mehr Bedeutung in unserem Leben gewonnen. 

Heute sieht unsere Situation so aus:

BigBlueEyes hat in der Oberstufe die Schule abgebrochen und ein halbes Jahr später ein FSJ begonnen. Schon wenige Wochen nach dem Ausstieg aus der Schule haben sich körperliche Symptome, unter denen sie sehr litt, komplett verflüchtigt: keine Magen-Darm-Beschwerden mehr, keine Pickel mehr, weniger Stimmungsschwankungen und weniger Anfälle ohnmächtiger Wut. Das FSJ ist nun beinahe zu Ende, wie es weitergeht, ist noch unklar. BigBlueEyes ist inzwischen allerdings in eine eigene Wohnung gezogen und möchte ihr Leben und sich selbst finden.

Zöpfchen hat nach 4 Wochen Gymnasium angemerkt dass sie Englisch hasst und die Schule überhaupt. Nach einem Wechsel auf die Realschule gab es keine Besserung. Im zweiten Schulhalbjahr war sie dann nur noch wenige Wochen; ich habe sie sehr oft krank gemeldet. Mit dem Vater habe ich mich darauf geeinigt, dass Zöpfchen auf eine freie Schule wechseln kann, sollte es ihr dort gefallen. Es war eine harte Diskussion aber inzwischen hat sie fast ihr erster Schuljahr als Quereinsteiger dort beendet und im Moment fühlt sie sich dort sehr wohl.

Naturkind ist inzwischen schulpflichtig und hat direkt auf einer freien Schule ihr erstes Schuljahr begonnen. Jedoch ist sie nicht sehr begeistert davon, jeden Morgen dort hinzugehen und hatte bereits sehr viele Fehlzeiten. Freier als die freie Schule werden wir in Deutschland nicht ohne weiteres finden. Wie der Weg mit ihr weitergehen wird, ist daher sehr spannend und nervenaufreibend. Wie es jetzt ist, kann es jedenfalls nicht bleiben.