Dienstag, 29. Juli 2014

Klare Worte

Bislang liefen viele Gespräche mit der freien Schule, an der Naturkind noch immer angemeldet ist, obwohl sie nicht hingeht. Beim letzten Gespräch hat mir die Schule signalisiert, dass eine Zusammenarbeit möglich sein könnte. Eine Zusammenarbeit, bei der Naturkind kommen kann wenn sie will und es lassen kann wenn sie will. Ein Unschooling Konzept, bei dem die Schule das Risiko tragen würde.

Das wäre natürlich eine tolle Sache gewesen, hat sich jetzt jedoch leider vollkommen zerschlagen. Nicht von den für die Leitung verantwortlichen Personen kommt diese überraschende Wendung sondern vom Lehrpersonal. Eine Störung der Gruppendynamik sowie eventuelle Nachahmer werden hier befürchtet.

Es ist schon bemerkenswert, wenn selbst die für die Gestaltung des Miteinanders verantwortlichen Lehrer einer freien Schule mit alternativem pädagogischen Konzept befürchten, alleine in der Schule stehen zu müssen, sobald den Kindern ihre Wahlmöglichkeit bewusst wird.

Ein bisschen schade finde ich es schon, denn es wäre natürlich eine ganz tolle Möglichkeit gewesen, Material, Raum und Kontakte zu nutzen, die im privaten Bereich oft schwer zugänglich sind.

Dennoch - Naturkind zur regelmäßigen Teilnahme zu zwingen kommt in keinem Fall in Frage. Für uns heißt es nun Fahrt aufnehmen und uns alleine dem Meer zu stellen. Die Herausforderungen des Unschooling lasten jetzt alleine auf meinen Schultern. Noch ist mein Rücken gerade, die ersten Klippen sind bereits in Sicht: ein Kindesvater für den Unschooling esoterischer Unsinn ist. Und den ich von der Abmeldung an der Schule nun informieren muß, die ich offiziell in den nächsten Tagen vornehmen werde.

Eines habe ich jedoch bereits gelernt: das Wort "Gruppendynamik" wird mich noch in meinen Träumen verfolgen und immer Sinnbild sein für den Versuch, Menschen durch enge Bindungen zusammen zu halten, die eigentlich keine Gemeinsamkeiten haben und in offenen Gruppen ganz verschiedene Wege gehen würden.


Samstag, 26. Juli 2014

De-Schooling

Zöpfchen wollte nun auch eine Woche lang nicht zur Schule gehen. Ich habe es ausprobiert, zwingen widerstrebt mir bei jedem meiner Kinder.

Jedoch war die Woche für mich sehr hart. Zöpfchen hat nichts anderes gemacht als sich mit ihrem Laptop zurückzuziehen. Den ganzen Tag. Die ganze Nacht. Ins Bett ist sie um 3 oder um 5 morgens. Manchmal schon um 1. Ich habe sie nicht aus dem Haus bekommen. Sie hat keine Freunde getroffen. Sie hat nur die ganze Zeit neue Serien die sie interessieren entdeckt, daraus dann Listen angefertigt. Teilweise japanische Worte gelernt, auch einiges an Englisch. Natürlich auch viel über Mangas, denn es waren Animes, mit denen sie sich beschäftigt hat. Auch wie das mit dem Download geht. Verschiedene Dateitypen etc.

Ich sehe also wohl dass sie viele Dinge gelernt hat. Aber unsere Beziehung innerhalb der Familie ist in dieser Woche fast komplett zerbrochen. Keine gemeinsame Aktivität. Schlechte Laune durch zuviel Konsum. Streit. Keine Mithilfe bei irgendwas. Kein Miteinander. Kein Kontakt mit anderen Menschen. Nicht einmal Kontakt mit dem Wetter draußen. Nur Konsum. Und essen.

Im Rückblick nach dieser Woche gehe ich davon aus, dass wir hier eine De-Schooling Situation wie aus dem Bilderbuch erlebt haben. Ich wäre bereit, dieses De-Schooling durchzustehen. Einmal zumindest, denn es ist sehr hart. Aber das hat doch nur Sinn, wenn Zöpfchen sich dazu entscheidet, auf die Schule zu verzichten. Und das ist nicht ihr Plan im Moment. Sicherlich werde ich nicht einen Wechsel von Schooling und De-Schooling über einen längeren Zeitraum mitmachen. De-Schooling ist aus meiner Sicht nur zu ertragen, wenn das Ziel ist, im Unschooling anzukommen.

Ich verstehe jetzt, warum viele Eltern mit Schulkindern dafür sorgen, dass sie auch in den Ferien "gut aufgehoben" sind. In der Ferienfreizeit sind sie nicht nur ganztags betreut, sie haben auch keine Chance, in das De-Schooling zu starten, für das sich die Sommerferien per se gut eignen. Geht auch nicht, wenn die Eltern selbst frei haben und eine enge Kontrolle ausüben. Ansonsten sähe man wohl allerorts nur verzweifelte Eltern. Andererseits - 6 Wochen unkontrolliert konsumieren als Ausgleich für ein Jahr in der Schule sitzen - das scheint in unserer Gesellschaft eine anerkannte Belohnung zu sein.

Für mich ist es so, dass ich erkannt habe, dass ich Naturkind und Zöpfchen komplett unterschiedlich behandeln muss. Naturkind hatte ihre De-Schooling Phase schon nach dem Ganztagskindergarten. Sie schaut auch gerne vormittags Filme auf Youtube, wenn ich noch in der Arbeit bin. Aber spätestens wenn ich komme hört sie auf und macht etwas mit mir oder beschäftigt sich mit etwas anderem. Sie ist offen für Dinge. Und sie verbringt mitnichten alle Zeit, die sie ohne mich hat, mit Konsum. Oft erarbeitet sie sich eine Fantasiewelt oder ähnliches. Sie entdeckt die Welt gerne. Virtuell und echt.

Zöpfchen werde ich dieses Vertrauen das ich Naturkind entgegenbringe, nicht auf einen Schlag schenken können. Solange sie in der Schule ist, auch wenn es eine freie ist, ist die Seite der Eigenverantwortung bei ihr einfach viel zu schwach ausgeprägt. Wo Naturkind ins Bett geht wenn sie müde ist, da zwingt sich Zöpfchen zum Wachbleiben, mißachtet die Signale ihres Körpers. Das wird natürlich mit dem morgendlichen Wecker schon gut trainiert. Eine vollkommen unterschiedliche Lebenssituation also, in der sich meine beiden Kinder befinden.

Sollte Zöpfchen irgendwann beschließen, dass sie nicht mehr zur Schule gehen will, dann werde ich vermutlich zunächst homeschoolen und dann nach und nach in dem Maße in dem ihre Kompetenzen wachsen zum Unschooling übergehen. Ich denke, dieser kalte Entzug des De-Schoolings ist mehr als unsere Familie verkraften kann. Lieber schleiche ich die Droge Schule langsam aus.

Für den Moment möchte ich eine Lösung mit Zöfpchen finden, mit der wir alle leben können. Ich kann nicht mehr zulassen, dass sie sich komplett aus der Familie zieht und ihre Gesundheit vernachlässigt. Um dann wieder in die Schule einzusteigen, wenn das Schlimmste voraussichtlich überstanden sein wird.
Ist nicht ganz einfach, denn ohne Bindung finden sich auch Lösungen viel schwerer.

Diese letzte Woche hat mich jedoch auch in meinem Beschluß bestärkt, Naturkind als Unschooler aufwachsen zu lassen. Einmal die Woche zur freien Schule zu gehen sehe ich als Maximum. Dies ist dann wie der wöchentliche Besuch eines Vereins, den man auch ausfallen lassen kann. Schule wird in Naturkinds Leben keine weitere Bedeutung erlangen. Dafür werde ich kämpfen.

Samstag, 12. Juli 2014

Aber wie ist das mit den Freunden?

Das ist wohl eine der ersten Fragen, die ich höre, wenn Menschen erfahren, dass Naturkind nicht zur Schule geht. Gerne auch mit dem Schlagwort "fehlende Sozialisation" untermauert.

Eine gängige Definition für Sozialisation:
"Sozialisation nennt man den lebenslangen Prozeß der Entstehung individueller Verhaltensmuster, Werte, Maßstäbe, Fähigkeiten und Motive in der Auseinandersetzung mit den entsprechenden Maßstäben einer bestimmten Gesellschaft" (Zimbardo 1995, S.80).

Wieso sollte ein "lebenslanger" Prozess in eine kurze Zeitspanne (der Kindheit und frühen Kindheit) gepresst werden?

In der Soziologie wird klassischer Weise unterschieden in primäre, sekundäre und tertiäre Sozialisation. Die Primärsozialisation wäre demnach diejenige Sozialisation welche im Lebensabschnitt ab Geburt bis zum älteren Kindesalter (Beginn der Adoleszenz) stattfindet.

Nicht die Gruppe der Gleichaltrigen sondern die Stammfamilie ist von elementarer Bedeutung für die Primärsozialisation. Sie verbleibt auch als elementarer Stabilitätsfaktor der Sekundärsozialisation, während derer im zunehmenden Adoleszenzalter soziale Gruppen außerhalb der Familie zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die tertiäre Sozialisation letztendlich findet im Erwachsenenalter statt, wenn andere Einflüsse, wie beispielsweise die neu gegründete eigene Familie oder anderweitig konstruierte eigene Lebensweg, den starken Stellenwert der Stammfamilie ablösen (aber nicht vollkommen auflösen). 

Die primäre Sozialisation findet also in der Familie statt. Eine Familie lebt als Teil einer Gesellschaft, wodurch ständige Einflüsse, Kontaktflächen und Reibungspunkte zu allen möglichen anderen potentiell sozialisierenden Faktoren entstehen. Dennoch sorgt die starke Verbindlichkeit innerhalb einer Familie für die Sicherheit, die m.E. notwendig ist, um ein gesundes Öffnen für weitere Faktoren überhaupt erst zu ermöglichen. 

Weitere Infos zur Bedeutung der Familie in der Sozialisation finden sich im Handout des Seminars „Die Funktion der Familie in der primären Sozialisation“ am Pädagogischen Institut der Technischen Hochschule Darmstadt.

Der rennomierte kanadische Entwicklungspsychologe Gordon Neufeld (Verfechter eines bindungsbasierten Entwicklungsmodells) beschreibt in einem seiner Vorträge sehr eindrucksvoll, wie wichtig für unsere Kinder eine gesunde Beziehung und sichere Bindung innerhalb der Familie ist. In der heutigen Gesellschaft haben seiner Meinung nach die "Peers", also die gleichaltrigen Kinder, eine zu starke Bedeutung als Sozialisationsfaktoren zugewiesen bekommen. Die Peers sind aber überhaupt nicht in der Lage, eine stabile Bindung zur Verfügung zu stellen, da sie selbst noch inmitten der Sekundärsozialisation stecken und selbst stabile Bindungen bräuchten.

Dies wirft für mich viele Fragen auf:
Ist es wirklich wichtig, dass unser Kindergartenkind bereits mit anderen Kindergartenkindern "spielt"? Dass unser Kleinkind im Kinderhort andere Kleinkinder "kennenlernt"? Dass unser Kind im Grundschulalter täglich stundenlang einer Auseinandersetzung mit Gleichaltrigen in einem autoritär strukturierten Umfeld unterworfen ist? 
Wieso sollte eine Primärsozialisation funktionieren wenn sie in Gruppen stattfindet, in denen keine Vertrauensbasis vorherrscht? Und wieso sollte es im Interesse unserer Kinder liegen, wenn sie sich schon so früh von der vertrauten Familie so stark lösen? 

Nach Gordon Neufeld führt eine Bindung auf Basis von Liebe, Vertrauen und Respekt zu einem "Attachment", zu einer Verbundenheit, die im sozialen Miteinander dazu führt, dass die so gebundenen Personen der anderen Person gerne ihre Bedürfnisse erfüllen mögen. 

Ähnlich formuliert das auch Marshall Rosenberg in seinem Konzept der gewaltfreien Kommunikation. Eigentlich sagen alle Menschen nur "bitte erfülle meine Bedürfnisse" und "danke". Je nach Art der Bindung und je nach Sozialisation kann das aber auf sehr unterschiedliche Art ausgedrückt werden und in unserer westlichen Gesellschaft ist leider die "Wolfssprache" sehr ausgeprägt. Das wäre dann ein "Du bist einfach zu dumm um auch nur irgendwas richtig zu machen" anstelle des eigentlich gemeinten "Bitte schließe die Tür, mir tun die Knochen weh, wenn es zieht."

Wenn wir nun eine Gruppe von nur dürftig gebundenen Kindern in einem Alter in dem sie sehr viel Sicherheit brauchen aufeinander los lassen, als Eltern die Verantwortung für deren Wohlergehen in die Hände Fremder legen. In eine Gruppe, die hauptsächlich aus Gleichaltrigen besteht, keiner von ihnen in der Lage als Vorbild für den anderen zu dienen. Wie sollen diese Kinder dann jemals Vertrauen aufbauen, in sich selbst, in die Welt, überhaupt zu irgendetwas?

Bevor ich mich mit diesen Wissenschaftlern auseinander gesetzt habe und bevor ich es mir erlaubt habe, über den Rand meiner eigenen Primärsozialisation hinaus zu denken, da war ich auch eine von denen, die der Gruppe der Gleichaltrigen eine immense Bedeutung für die soziale Entwicklung zugeschrieben haben.

Heute habe ich so viel mehr gelernt. Ich sehe wie sich meine Beziehung zu Naturkind von Tag zu Tag festigt. Ich kann zwischen uns jetzt schon eine stabile Kordel sehen. Ich merke, wie wir ohne Druck und Angst miteinander viel besser auskommen, unser Leben miteinander ist soviel leichter geworden. 

Ich sehe, wie sich meine Beziehung zu Zöpfchen, die ich schon fast verloren glaubte, langsam, mit einem spinnenseidenen Faden noch im Moment, entwickelt. Wir fangen an, uns näher zu kommen. Ohne diesen ganzen Druck, den ein Leben nach deutschen Standards mit sich bringt ("Du musst noch deine Hausaufgaben machen", "Los, ins Bett"...).

Für Zöpfchen werden ganz plötzlich Freunde wichtig. Je mehr Sicherheit und Entspannung sie innerhalb der Familie hat, desto mehr öffnet sie sich für soziale Veranstaltungen außerhalb der Familie. Die Loslösung geschieht im gleichen Maß wie die Bindung an mich steigt.

Es ist plausibel, wie Neufeld es auch ausdrückt. Erst wenn du sicher bist, bist du bereit für ein Abenteuer, immer in dem Wissen, dass der sichere Hafen als Zuflucht auf dich wartet.

Daher, liebe Eltern: es ist vollkommen egal, wenn euer 6jähriges Kind noch nicht auf 5 Kindergeburtstage im Jahr eingeladen wird. Macht was Schönes mit eurem Kind an diesem Tag, arbeitet an eurer Beziehung zueinander. Und beobachtet mit Freuden, aber auch mit offenen Armen für eine verfrühte Rückkehr, wie euer Kind eines Tages ganz von selbst die Segel setzen wird.

Sonntag, 22. Juni 2014

Wieviel Entscheidung für das Kind?

Es ist zum Mäuse melken. Jetzt habe ich angefangen, ein soziales Netzwerk aufzubauen. Habe Menschen kennen gelernt, die bereits unschoolen. In Deutschland und anderswo.

Sogar der Vater der Kinder, obwohl nach wie vor pro Schule, hat zu Naturkind gesagt, sie soll selbst entscheiden ob sie zur Schule geht oder nicht.

Und jetzt? Jetzt will sie plötzlich. Nach dem Umzug ist der vertraute Freundeskreis nicht mehr so greifbar, da sieht die (freie) Schule plötzlich wieder attraktiver aus, scheint mir.

Ich werde sie morgen früh gehen lassen. Meine Auflage war, dass sie abends früh und freiwillig ins Bett geht. Sie hat auf alles verzichtet, das unseren Abend normalerweise erst schön werden lässt: kuscheln, lesen, spielen, reden. Um rechtzeitig aufstehen zu können.

Nun ist es ja leider so, dass Schule eine gewisse Sogwirkung auszuüben scheint. Immerhin gibt es da dann doch schon bekannte Gesichter, vertraute Abläufe etc. Wenn ich meine Erfahrungen mit Zöpfchen ansehe, dann wird mir klar: rein in die Schule geht es quasi automatisch. Die (negativen) Nebeneffekte sind unmittelbar. Raus aus der Schule, das ist schwierig. Insbesondere raus aus einer freien Schule. Langsam kommt es mir so vor, als hätte ich mir mit der freien Schule mein größtes Hindernis auf dem Weg zu Unschooling selbst gebaut.

Damit sind wir beim Thema. Morgen will Naturkind in die Schule. Dadurch wird sie mehr in den Sog gezogen. Will dann übermorgen vielleicht wieder hin. Und nächste Woche geht sie aus Gewohnheit. Bislang war ich immer der Meinung, dass ich glücklich sein werde mit der Entscheidung, die das Kind trifft. Ich möchte, dass sie sich wohl fühlt. Aber ist das möglich, mit einem ständigen rein und raus? Sollte ich für eine längere Zeit außerhalb sorgen, entgegen ihrer spontanen Wünsche, so dass sie überhaupt erst die Chance bekommt, sich ein Leben außerhalb aufzubauen?

Wieviel Entscheidungsraum sollte ich ihr geben? 

Ich weiss es nicht. Meine Strategie im Moment wird sein, einen möglichst großen Aktionskreis für sie außerhalb der Schule aufzubauen. So dass sie merkt, dass überall Freunde zu finden sind. Noch mehr Vernetzung mit Unschoolern, so dass sie sieht, dass andere Kinder das auch erleben. Parallel dazu habe ich vor, ihr bis zu den Sommerferien Entscheidungsfreiheit einzuräumen. Dann werde ich sie vermutlich abmelden. Es sei denn, sie geht bis dahin schon jeden Tag mit Begeisterung. Ich hoffe nicht, dass es dazu kommt. Zu hoch ist der Preis, die Auswirkungen auf unsere Beziehung innerhalb der Familie. Aber was, wenn es wirklich so kommt? Ich fühle mich unbehaglich.

Mein Rat an alle mit kleineren Kindern, die den Unschooling-Weg ausprobieren wollen: fangt am besten gar nicht erst mit der Schule an. Sind die Kinder erstmal im Trott und haben die ersten anderen Kinder dort kennen gelernt, ist es viel schwieriger für sie, sich wieder auf natürliches Lernen einzulassen. Und am allerschwierigsten ist es, zumindest für Zöpfchen und Naturkind, Freunde zu gewinnen, wo kein institutioneller Rahmen das gemeinsame Spiel quasi diktiert. Soviel zur Sozialisierungsfunktion der Schule. Zwangsgemeinschaften, in denen Sozialkompetenz überflüssig wird.

Donnerstag, 12. Juni 2014

Die Beziehung pflegen

Der Vater von Zöpfchen und Naturkind hat sich nach der Trennung sehr bald entschieden, sein eigenes Leben zu leben und nur noch jedes zweite Wochenende zur Verfügung zu stehen - wenn überhaupt. 

Von Anfang an habe ich bemerkt, dass insbesondere Zöpfchen mehr Zeit mit ihm verbringen will und mich dafür eingesetzt. Leider nur mit sehr mäßigem Erfolg. Auch die neue Frau scheint da eine entsprechende Rolle zu spielen.

Nun hatte ich ein Schlüsselerlebnis.

Zöpfchen und Naturkind waren längere Zeit am Stück bei ihrem Vater. Schon am dritten Tag hat Zöpfchen mich angerufen und im Gespräch hat sich herausgestellt, dass es ihr in diesem Moment gerade gar nicht gut ging. Der Umgangston beim Vater und der neuen Frau ist ziemlich autoritär. Es wird wohl viel kommandiert. Die Kinder reagieren entsprechend aggressiv, werden selbst gemein.

Und bei diesem Telefonanruf habe ich es endlich verstanden. Es bringt gar nichts, wenn ich mich dafür einsetze, dass sich der Vater öfter um die Kinder kümmert. Das was sie sich wünschen, werden sie trotzdem nicht bekommen: Nähe.

Das ist etwas, was für mich der allerschönste Aspekt am Unschooling ist. Dadurch dass ich meine Kinder als Menschen mit Bedürfnissen und Wünschen ansehe, dadurch dass ich mich auf ihre Bedürfnisse einlasse und alles ruhen lasse, um mit ihnen einen Augenblick zu teilen, dadurch schaffe ich Nähe. Auf Augenhöhe zu handeln, mutet oftmals anstrengend an. Jedoch ist der Gewinn auf beiden Seiten so unendlich groß. Erst seitdem wir stetig versuchen, miteinander wie Menschen umzugehen, den anderen und dessen Bedürfnisse zu respektieren, erst seit diesem Moment haben wir überhaupt begonnen, eine Beziehung aufzubauen. Vorher war es ein ständiges Machtspiel. Ein Bestimmen, Bevormunden, Auflehnen, Rebellieren. Geprägt von Trotz und einer negativen Schwingung. Früher war ich immer erschöpft und heilfroh, wenn die Kinder im Bett waren.

Heute nehme ich mir Zeit und verbringe diese mit den Kindern. Je mehr Zeit ich mit ihnen verbringe, desto mehr Zeit gestehen sie mir alleine zu. Ich habe heute mehr Gelegenheit denn je, Dinge für mich alleine zu machen. Die Beziehung ist so gut geworden, dass die Kinder jetzt auch meine Bedürfnisse sehen. 

Wenn Zöpfchen sagt, sie vermisst ihren Vater, dann vermisst sie die Beziehung zu ihrem Vater. Den Menschen, der sie und ihre Sorgen sieht. Und nicht einfach jemanden, der sie "abhandelt". Seitdem ich das verstanden habe, ist ein großer Stein von meinem Herzen gefallen. Ich war unglücklich damit, dass sie so wenig Zeit mit ihrem Vater verbringen konnte. 

Jetzt weiß ich, dass eine gute Beziehung das ist was fehlt. Und wenn kein Wille auf beiden Seiten besteht, solch eine aufzubauen, dann hilft alle Zeit der Welt nicht. 

In den "7 Wegen" sagt Stephen Corvey, dass man auch die Henne pflegen und füttern muss und nicht einfach nur die Eier nehmen kann. Es ist die Beziehung, die wichtig ist. Alles andere kommt dann von alleine.

Je mehr ich lese, desto deutlicher sehe ich, wie alles zusammen hängt, wie ein Puzzle-Teilchen ins nächste passt. Lernen im echten Leben ist nur ein kleiner Teil. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg.


Donnerstag, 5. Juni 2014

Neues Zuhause

Es war ein wenig ruhig um uns in der letzten Zeit.

Seitdem ich Naturkind am Wohnort abgemeldet habe, gab es keine Konsequenzen. In der freien Schule hatte ich Bescheid gegeben, dass sie erstmal nicht mehr kommt. Bislang haben wir noch keinen Gesprächstermin gefunden. Andere Dinge waren im Vordergrund.

Wir wohnen jetzt in einer eigenen Wohnung: Zöpfchen, Naturkind und ich. Nicht mehr so ländlich wie zuvor. Und nicht mehr zusammen mit meinem Freund und seinen Unschooling-Kindern. Zum ersten Mal nur wir 3 alleine seit der Trennung vom Vater der Kinder. Es wird Zeit, dass wir uns finden, unseren eigenen Rhythmus, unser eigenes Leben. Bislang war vieles durch Einflüsse von außen bestimmt. Bettgehzeiten, Essensgewohnheiten, der ganze Alltag. Es wird jetzt sehr spannend für uns, alles neu zu entdecken.

Erst 4 Nächte haben wir im neuen Zuhause verbracht. Alles ist noch sehr chaotisch, wir haben noch keine Küche und daher noch keinen Alltag. Bald fahren die Kinder für längere Zeit zum Vater, danach wird alles bereit sein, so dass wir uns in Ruhe neu entdecken können. Ich freue mich schon darauf!


Dienstag, 6. Mai 2014

Vernetzung

Wir haben ein paar sehr aufregende Tage erlebt. Die erste Vernetzung mit anderen Menschen, für die Unschooling ebenfalls große Bedeutung hat. 

Nun ist es ja so, dass es zwei grundsätzlich unterschiedliche Ebenen gibt, wenn man als Mutter oder Vater mit Unschooling in Kontakt kommt.

In der ersten Ebene geht es darum, Vertrauen in Unschooling zu fassen. Diesen Weg als natürlichen Weg des Lernens zu erkennen. Zukunftsängste abzubauen, die beispielsweise durch den Mangel an offiziell bestätigten Schulabschluß-Dokumenten entstehen können. Einen Paradigmen-Wechsel zu vollziehen, wie es z.B. Pam Laricchia in ihrem Buch Free to Live beschreibt. Kurz, es geht darum, Vertrauen in das eigene Kind zu fassen. Und in sich selbst, denn wir nehmen hier Verantwortung zurück, die in unserer Gesellschaft schon lange an Institutionen delegiert wurde.

Die andere Ebene befasst sich mit Fragen der praktischen Umsetzung. Wie kann ich mich verhalten in dieser und jener Situation? Wie begegne ich Menschen, die Unschooling kritisch gegenüber stehen? Wie ermögliche ich meinem Kind Sozialkontakte wenn die Mehrheit der Gleichaltrigen in Institutionen den Tag verbringt? 
Aber auch: was kann ich tun, um unschoolen zu können? Welche rechtlichen Konsequenzen können sich ergeben? Wie kann ich auf gesellschaftlichen Druck, auch durch Instanzen, reagieren? Wie organisiere ich den Tag zu Hause, wenn ich doch arbeiten muss?

Vernetzung mit anderen Freilernern ist auf beiden Ebenen sinnvoll und wichtig. Für mich persönlich war es sehr bestärkend, zu sehen, dass ich mit meinen Gedanken nicht alleine bin.

Dabei ist das wichtigste, das ich persönlich mitgenommen habe:
es gibt keine Patentlösung. Jeder von uns muss seinen individuellen Weg finden. Aber die Gemeinschaft ist vorhanden und bereit zu unterstützen. Viele Familien haben es schon geschafft, ihre Kinder frei aufwachsen lassen zu können.

Für mich hat das Treffen einerseits viele Antworten gegeben, andererseits viele neue Fragen aufgeworfen. Die Gemeinschaft an sich hat sich richtig angefühlt. Ich bin auf dem richtigen Weg. Vernetzung und Austausch sind mir wichtig, ich möchte hier noch viel mehr dabei sein. Auf der anderen Seite habe ich gemerkt, dass ich ein Stück des Weges auch alleine gehen muss. Ich möchte herausfinden, wie es für Naturkind, Zöpfchen und mich am besten passt, wie die Lösung aussehen kann, mit der wir uns wohl fühlen.

Für Naturkind und Zöpfchen war das Treffen sehr wertvoll. Sie haben Kinder kennen gelernt, die frei aufwachsen und konnten Teil einer Gemeinschaft sein, in der viele gängige Mechanismen (wie z.B. Leistungsdruck) nicht greifen und die stattdessen sehr viel positive Energie freisetzt. Dazu waren sie der Natur sehr nahe und ich glaube, sie haben sich sehr geerdet und glücklich gefühlt. 

Wir freuen uns schon auf weitere Treffen.

Donnerstag, 1. Mai 2014

Mama, Papa oder beide?

Ich lebe nicht mehr mit dem Vater meiner Kinder zusammen. Am Anfang hatten wir ein paritätisches Modell in der Nestversion, dann sind wir auf das Residenzmodell umgestiegen, auch weil der Vater weggezogen ist. Leider ist es so, dass sich der Vater immer mehr von den Kindern zurück zieht. Zöpfchen ist darüber sehr traurig, verarbeitet ihren Frust mit Essen und Gemeinheiten. Es wird immer schwieriger, mit ihr umzugehen.

Ich denke nun darüber nach, wieder auf das paritätische Modell zurück zu gehen. Zwar verliere ich damit Einfluss (und der Ex ist in keiner Weise begeistert von Unschooling und den zugrunde liegenden Paradigmen-Wechseln), aber ich glaube, dass die psychische Gesundheit meiner Kinder leidet, wenn ihr Vater sich nicht um sie kümmert. Und wie soll kümmern realisiert werden, bei ein bis zwei Wochenenden im Monat und den halben Ferien?

Ich weiß, die meisten alleinerziehenden Mütter werden mich nicht verstehen. Ich möchte auf keinen Fall meine Kinder verlieren und von meiner Seite her könnte der Ex-Partner gerne auf dem Mond verschwinden. Diesen Egoismus kann und will ich mir aber nicht leisten. Der Ex-Partner ist zusätzlich noch Vater meiner Kinder. Damit hat er so unendlich viel Bedeutung für sie. Damit meine Kinder ihre Wurzeln kennen lernen und glücklich aufwachsen können, brauchen sie beide Elternteile. Ich merke wie insbesondere Zöpfchen leidet, denn sie liebt ihren Papa über alles. Nur er versteht das leider nicht.

Es gibt ja Studien, nach denen das Wechselmodell für Kinder von getrennten Eltern sehr gut geeignet sei, insbesondere für Expartner, die Kommunikationsprobleme haben (wie wir). Beispielsweise in dieser Schrift von Dr. Sünderhauf. Einzig verbleibt das Problem dass die Expartner nicht weiter als 20-30km auseinander wohnen dürfen, damit das Modell praktikabel bleibt. Und warum ist das so? Natürlich wegen der Schulpflicht!

Kann das denn wirklich sein, dass die Schule der Dreh-  und Angelpunkt für unsere komplette gesellschaftliche Struktur ist? Ausgerechnet diesem Thema wird solch eine immense Bedeutung zugestanden, dass sinnvolle Lösungen in vielen Lebensbereichen daran scheitern, dass die Schule und der Zwang sie zu besuchen als Thema höchster Priorität angesehen werden.

Jetzt, da ich mit Naturkind andere Wege beschreiten möchte, erscheint das paritätische Modell auch mit einem Abstand von 100km möglich. Jedenfalls wenn der Ex-Partner mitziehen würde. Jedoch kann ich mir kaum vorstellen, dass dieser sich frei nimmt um mit Naturkind die Welt zu erleben, wo er sie doch gut in einer staatlichen Schule parken könnte. Sogar in einer Ganztagsschule. Und das komplett kostenlos.

Mit Zöpfchen ist das Problem noch größer. Sie ist es, die ihren Papa wirklich stark vermisst. Viel mehr als Naturkind. Aber Zöpfchen geht in die freie Schule in meinem Wohnort. Undenkbar, dass sie morgens 100km pendelt. 

Im Moment habe ich die Idee, dass eine Fernschule vielleicht helfen könnte. Diese Lösung wäre natürlich ideal. Paritätisches Modell verbunden mit Fernschule. Dann verbliebe es den beiden Elternteilen, für ausreichend soziale Kontakte am jeweiligen Lebensort zu sorgen. Vereine zu finden, regelmäßig Spielplätze zu besuchen etc.

Klingt für mich im Moment allerdings wie eine Utopie. Ich kann zwar einen Pfad dorthin im Dickicht erkennen, aber ich sehe ihn kaum. Noch nicht viele Menschen haben sich dort entlang gewagt.

Ich werde weiter darüber nachdenken, Informationen sammeln und schauen, ob ich etwas bewegen kann.

Mittwoch, 30. April 2014

Offene Worte

Mein Kind ist jetzt schon 3 Schultage abgemeldet. Allerdings nicht von der Schule, nur vom Wohnsitz. Naja. "Nur" ist wohl nicht das richtige Wort. Ich warte schon jeden Tag auf behördliche Schreiben. Gestern lag tatsächlich etwas vom Jugendamt im Briefkasten. Da hat mein Herz schneller geklopft. Aber es war nur eine Beratungsbroschüre. Standardpost wenn ein Scheidungsantrag ans Familiengericht herangetragen wird. Puh.

Dennoch ist es an der Zeit, ein paar offene Worte zu verlieren. Meine Mutter weiß jetzt Bescheid. Begeistert ist sie nicht, aber wirklich dagegen anscheinend auch nicht. Jedenfalls blieb das ganz große Theater aus. Dafür habe ich jetzt einen Reisebuddy für Naturkind gewonnen, für die vielen Auslandsreisen. Vielleicht reisen sie ja wirklich mal zusammen.

Offene Worte habe ich auch der Lehrerin gegenüber gesprochen, die Naturkinds Jahrgang an der freien Schule betreut. Ich habe ihr gesagt, dass sie offiziell abgemeldet ist. Die Reaktion war: "interessant, was alles möglich ist, wenn man es nur macht". Jetzt steht eine große Gesprächsrunde mit dem Vorstand an. Ich möchte gerne, dass Naturkind zur Schule darf wenn sie möchte; sie hat dort auch einige Freunde. Den vollen Beitrag zahlen möchte ich allerdings weniger gerne.

Nach diesen beiden Offenbarungen fühle ich mich schon deutlich entspannter. Die Karten liegen jetzt teilweise auf dem Tisch. Vieles muss noch geklärt werden, aber die ersten Anläufe habe ich geschafft.

Es ist sehr erleichternd, den Druck nicht mehr so stark zu spüren. Ich muss keine Entschuldigungen für die Schule mehr erfinden. Ich muss keine Bettzeiten mehr durchsetzen. Jetzt gilt es, den neuen Alltag zu finden.

Montag, 28. April 2014

Druck

Ich merke, wie sich mein Verhalten ändert, wenn ich unter Druck stehe. Ich reagiere leicht gereizt, verwende scharfe Worte oder greife zu erpresserischen Mitteln. 

Der Kontrast zwischen Ferien und Schulzeit ist besonders extrem. Die Kinder können in den Ferien  wach bleiben, so lange sie wollen. Fast von alleine pendelt sich der Ausklang des Abends gegen Mitternacht ein. Am nächsten Tag können sie ausschlafen so lange sie wollen. Der ganze Tag beginnt entspannt und endet entspannt.

Ob ich selbst zur Arbeit muß oder nicht ist eigentlich irrelevant. 6 Stunden Schlaf reichen mir auch, also stehe ich in den Ferien einfach auf und lasse die Kinder in Ruhe ausschlafen.

Wenn jedoch am nächsten Morgen Schule ansteht, dann ist alles anders. Der Abend beginnt um 20:00 spätestens hektisch zu werden. Die Kinder müssen ins Bett, damit sie genug Schlaf bekommen. Tja. Um 22:00 Uhr werde ich langsam genervt. Letztendlich gehen meine Kinder begleitet von scharfen Worten zu Bett. Viel zu spät und ohne Geschichte. Dabei machen Naturkind und ich im Bett abends sonst immer Tandem-Lesen. Keine Zeit, keine Zeit. Viel zu spät, morgen müssen wir raus. 

Am nächsten Morgen dann klingelt quasi mitten in der Nacht ein erbarmungsloser Wecker. Ich bin meistens schon etwas eher wach, denn ich brauche, wie gesagt, nicht so viel Schlaf. Zöpfchen wacht oft auch schon durch den Wecker auf und rafft sich dann tapfer alleine auf. Mit dicken Augenringen, aber sie geht auf eigenen Wunsch zur Schule. Weil sie sich im Moment dafür entschieden hat.

Naturkind jedoch liegt im Tiefschlaf, wenn der Wecker rasselt. Wach wird sie davon natürlich nicht. Meistens bringe ich es nicht übers Herz, sie zu wecken. Da liegt ein Kind, das einfach noch so müde ist, dass es den lauten Wecker nicht hört! Sie zuckt nicht mal. Wenn ich sie dann doch wachrüttle, dann jammert sie, dass sie noch müde ist und ihr kalt ist. Ich fühle mich richtig gewalttätig, wenn ich sie dann wachkitzle und zum Aufstehen bewege. Sie zieht dann mehrere Pullover übereinander, weil ihr so kalt ist. Oder besser gesagt: ich ziehe sie ihr an, denn wir haben ja keine Zeit, um darauf zu warten, dass sie sich selbst anzieht. Naturkind wird dadurch wieder zum Kleinkind. Abgefertigt wie auf dem Fließband.

Dieser zeitliche Druck und der damit verbundene Stress haben Auswirkungen auf unser Familienleben, die ich nicht tragbar finde:
-Ich verfalle in autoritäre Muster, um meine Kinder zu einer Zeit ins Bett zu treiben, zu der sie schlicht noch Interesse an an anderen Tätigkeiten haben.
-Dadurch verhindere ich in diesem Moment ihr Lernen.
-Am nächsten Morgen muss ich Gewalt anwenden, um eine zeitliche Anforderung zu erfüllen.
-Oftmals hat mir Naturkind gesagt, bereits am Vorabend, dass sie nicht zur Schule will. In solchen Fällen setze ich mich über ihre Meinung hinweg, erlaube ihr nicht, selbst Verantwortung zu tragen.
-Die Selbstbestimmung leidet insgesamt. Auch die Verantwortung für den eigenen Körper und das Erfahren und Kennenlernen der Signale des eigenen Körpers (z.B. Müdigkeit)

Dieser Druck muss einfach weg. Er passt nicht zu unserem Leben. Geht ein Kind freiwillig zur Schule oder zu einer Veranstaltung, so ist das toll. Zöpfchen macht das so. Dieses Kind ist dann auch bereit, auf Schlaf zu verzichten oder anderer Dinge zu entbehren um diese Veranstaltung zu erleben. Aber wenn das Kind andere Interessen hat, dann möchte ich es nicht zwingen, nur weil ein äußerer Druck existiert, eine gesellschaftliche Erwartung, die ich nicht erfüllen möchte.


Lernen

Naturkind kann lesen. Das hat sie aber nicht in der Schule gelernt. Irgendwann kam sie zu mir und wollte lesen lernen. 6 Wochen später konnte sie Druckschrift lesen. Mit Feuereifer las sie und las sie. Ich saß einfach nur daneben und half ihr gelegentlich oder las zwischendurch ein Stückchen. Wenn sie nicht mehr wollte, legte sie das Buch weg. Wir haben auch das Lesetraining der Hauptschule Bramberg ein bisschen ausprobiert, aber das hat sie schnell wieder abgelegt.

Nach einigen Wochen, in denen sie freiwillig mit meiner Begleitung las, wann immer sie wollte, begann sie, auch ohne mich zu lesen. Wir genießen weiterhin gemeinsame Lesezeit. Ich lese dann aus einem Buch vor, das für sie noch zu klein geschrieben ist, sie liest mir aus ihrem Erstleserbuch vor. Schreibschrift lesen hat sie zwischenzeitlich auch gemeistert.

Rechnen über den Zehner hat sie mit dem Fragenbär gelernt, einem PC-Spiel, das ihr sehr viel Spass gemacht hat.

Das Zählen von Euros und Cents kam durch Taschengeld und eigenständige Einkäufe im nahegelegenen Supermarkt.

Ich habe nichts davon forciert, sondern bemühe mich, ihren Interessen entgegen zu kommen und gleichzeitig reine Konsumhaltung weder vorzuleben noch zu fördern. So bleibt mehr Zeit für eigene Kreativität.  

Wozu brauche ich nochmal die Grundschule?


Sonntag, 27. April 2014

Abmelden

Was passiert eigentlich, wenn ich mein Kind in Deutschland abmelde? Keiner weiß es so genau, die Mühlen der Bürokratie mahlen im Geheimen. Selbst für die Sachbearbeiterin im Einwohnermeldeamt ist es nicht transparent, welche Folgen eine Abmeldung hat, welche Behörden noch informiert werden. 

Konkret sind folgende Dinge interessant:
1) Einwohnermeldeamt. Ich will das Kind abmelden, aber nicht im Ausland anmelden. Geht das? 
So sieht es aus: Ich habe es ohne Probleme geschafft, mein 6jähriges Kind abzumelden. Als neuen Ort habe ich angegeben "Reise". Die Sachbearbeiterin hat zunächst auf einen Ort im Ausland bestanden, aber ich habe ihr erklärt, dass die Abmeldung aus rein formalen Gründen erfolgen muss, wegen der Schulpflicht in Deutschland. Und dass wir bis zu den Sommerferien reisen wollen, verschiedene Freunde in verschiedenen Ländern besuchen. Mich selbst habe ich natürlich nicht abgemeldet. Ich bin ja auch nicht mehr schulpflichtig... Zum Abmelden habe ich lediglich eine Kopie des Kinderreisepasses benötigt. Meine Unterschrift als Mutter hat alleine ausgereicht. Die Sachbearbeiterin hat mich dann noch darauf hingewiesen, dass es Probleme mit dem Kindergeld geben könnte. 
Daher interessiert mich als nächstes:

2) Kindergeldkasse. Bekomme ich weiterhin Kindergeld?
So lange ich meinen Wohnsitz in Deutschland habe und mein Kind dort auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt, sollte alles seinen Gang gehen, jedenfalls nach diesem Merkblatt einer deutschen Botschaft. Das heißt für mich konkret: auch wenn mein Kind abgemeldet ist, bleiben die Verhältnisse für den Bezug des Kindergeldes unverändert, so lange im Inland der gewöhnliche Aufenthalt ist. Egal wie oft das Kind verreist und wo es gemeldet ist. Insofern werde ich der Kindergeldkasse erstmal gar nichts melden und abwarten, welche Automatismen des Behörden-Dschungels durch die Abmeldung greifen.

3) Jugendamt. Wir sind dort schon bekannt, hatten schon Gespräche aus verschiedenen Gründen. Für das Jugendamt sind Kinder, die nicht in Deutschland gemeldet sind, eigentlich nicht im Aufgabenbereich. Sollte ich das Jugendamt proaktiv informieren, damit die wissen, dass ich Naturkind abgemeldet habe? Ich werde es erstmal lassen und herausfinden, ob die Behörden sich untereinander austauschen.

Das ist die Ausgangslage heute. Jetzt muss ich mit der freien Schule besprechen, wie wir mit der neuen Situation umgehen. Eine Taktik dafür habe ich im Moment noch nicht.

Was ich allerdings habe, ist etwas Angst. Es ist schon ein komisches Gefühl, bewusst ein Kind abzumelden, das zwar ab und an mal im Ausland sein wird aber hauptsächlich weiterhin hier wohnen wird. Nur ohne Schulpflicht. Ich höre schon die Sirenen des Polizeiautos, das die Jugendamtsleute bringt die mir mein Kind wegnehmen werden. Rational betrachtet ein totaler Quatsch, aber das ungute Gefühl verbleibt in der Magengegend.

Über Unschooling zu reden und die Idee fortzutragen solange die Kinder noch nicht schulpflichtig sind, ist etwas ganz anderes als tatsächlich etwas in diese Richtung zu tun. Ich bewege mich in unserem Staat hier an den Grenzen zur Legalität oder muss diese sogar überschreiten. Wieso mutet ein moderner Rechtsstaat mir so etwas zu? Ich komme mir vor wie ein Verbrecher. Dabei geht es hier um das Wohl meines Kindes. Und das sollte bei allen Eltern im Vordergrund stehen.










Samstag, 26. April 2014

Vorgeschichte

Ich bin alleinerziehend (mit geteiltem Sorgerecht) und habe 3 liebreizende Töchter. Vor ca. 2 Jahren habe ich zum ersten Mal von Unschooling gehört. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits viele unschöne Erlebnisse mit dem staatlichen Schulsystem gesammelt. Meine Älteste, ich werde sie hier im Blog "BigBlueEyes" nennen, war bereits ein depressiver Teenager, total ausgebrannt und ich am Ende mit meiner Weisheit. Zöpfchen, meine Mittlere, war gerade mit der Grundschule fertig geworden und brannte darauf, Englisch zu lernen. Naturkind (die jüngste Tochter) hatte soeben von einem relativ offenen Halbtagskindergarten in einen ziemlich schulisch orientierten Ganztagskindergarten gewechselt. Wohl fühlte sie sich dort leider nicht.

Als ich von Unschooling hörte, kam mir das Konzept so plausibel und einleuchtend vor, so natürlich. Ich begann mich mehr zu informieren, gleichzeitig entwickelte ich eine kritischere Haltung gegenüber dem staatlichen Schulsystem und auch gegenüber gesellschaftlichen Zwängen in Deutschland.

Vieles hat sich bewegt seither, Unschooling hat immer mehr Bedeutung in unserem Leben gewonnen. 

Heute sieht unsere Situation so aus:

BigBlueEyes hat in der Oberstufe die Schule abgebrochen und ein halbes Jahr später ein FSJ begonnen. Schon wenige Wochen nach dem Ausstieg aus der Schule haben sich körperliche Symptome, unter denen sie sehr litt, komplett verflüchtigt: keine Magen-Darm-Beschwerden mehr, keine Pickel mehr, weniger Stimmungsschwankungen und weniger Anfälle ohnmächtiger Wut. Das FSJ ist nun beinahe zu Ende, wie es weitergeht, ist noch unklar. BigBlueEyes ist inzwischen allerdings in eine eigene Wohnung gezogen und möchte ihr Leben und sich selbst finden.

Zöpfchen hat nach 4 Wochen Gymnasium angemerkt dass sie Englisch hasst und die Schule überhaupt. Nach einem Wechsel auf die Realschule gab es keine Besserung. Im zweiten Schulhalbjahr war sie dann nur noch wenige Wochen; ich habe sie sehr oft krank gemeldet. Mit dem Vater habe ich mich darauf geeinigt, dass Zöpfchen auf eine freie Schule wechseln kann, sollte es ihr dort gefallen. Es war eine harte Diskussion aber inzwischen hat sie fast ihr erster Schuljahr als Quereinsteiger dort beendet und im Moment fühlt sie sich dort sehr wohl.

Naturkind ist inzwischen schulpflichtig und hat direkt auf einer freien Schule ihr erstes Schuljahr begonnen. Jedoch ist sie nicht sehr begeistert davon, jeden Morgen dort hinzugehen und hatte bereits sehr viele Fehlzeiten. Freier als die freie Schule werden wir in Deutschland nicht ohne weiteres finden. Wie der Weg mit ihr weitergehen wird, ist daher sehr spannend und nervenaufreibend. Wie es jetzt ist, kann es jedenfalls nicht bleiben.