Donnerstag, 12. Juni 2014

Die Beziehung pflegen

Der Vater von Zöpfchen und Naturkind hat sich nach der Trennung sehr bald entschieden, sein eigenes Leben zu leben und nur noch jedes zweite Wochenende zur Verfügung zu stehen - wenn überhaupt. 

Von Anfang an habe ich bemerkt, dass insbesondere Zöpfchen mehr Zeit mit ihm verbringen will und mich dafür eingesetzt. Leider nur mit sehr mäßigem Erfolg. Auch die neue Frau scheint da eine entsprechende Rolle zu spielen.

Nun hatte ich ein Schlüsselerlebnis.

Zöpfchen und Naturkind waren längere Zeit am Stück bei ihrem Vater. Schon am dritten Tag hat Zöpfchen mich angerufen und im Gespräch hat sich herausgestellt, dass es ihr in diesem Moment gerade gar nicht gut ging. Der Umgangston beim Vater und der neuen Frau ist ziemlich autoritär. Es wird wohl viel kommandiert. Die Kinder reagieren entsprechend aggressiv, werden selbst gemein.

Und bei diesem Telefonanruf habe ich es endlich verstanden. Es bringt gar nichts, wenn ich mich dafür einsetze, dass sich der Vater öfter um die Kinder kümmert. Das was sie sich wünschen, werden sie trotzdem nicht bekommen: Nähe.

Das ist etwas, was für mich der allerschönste Aspekt am Unschooling ist. Dadurch dass ich meine Kinder als Menschen mit Bedürfnissen und Wünschen ansehe, dadurch dass ich mich auf ihre Bedürfnisse einlasse und alles ruhen lasse, um mit ihnen einen Augenblick zu teilen, dadurch schaffe ich Nähe. Auf Augenhöhe zu handeln, mutet oftmals anstrengend an. Jedoch ist der Gewinn auf beiden Seiten so unendlich groß. Erst seitdem wir stetig versuchen, miteinander wie Menschen umzugehen, den anderen und dessen Bedürfnisse zu respektieren, erst seit diesem Moment haben wir überhaupt begonnen, eine Beziehung aufzubauen. Vorher war es ein ständiges Machtspiel. Ein Bestimmen, Bevormunden, Auflehnen, Rebellieren. Geprägt von Trotz und einer negativen Schwingung. Früher war ich immer erschöpft und heilfroh, wenn die Kinder im Bett waren.

Heute nehme ich mir Zeit und verbringe diese mit den Kindern. Je mehr Zeit ich mit ihnen verbringe, desto mehr Zeit gestehen sie mir alleine zu. Ich habe heute mehr Gelegenheit denn je, Dinge für mich alleine zu machen. Die Beziehung ist so gut geworden, dass die Kinder jetzt auch meine Bedürfnisse sehen. 

Wenn Zöpfchen sagt, sie vermisst ihren Vater, dann vermisst sie die Beziehung zu ihrem Vater. Den Menschen, der sie und ihre Sorgen sieht. Und nicht einfach jemanden, der sie "abhandelt". Seitdem ich das verstanden habe, ist ein großer Stein von meinem Herzen gefallen. Ich war unglücklich damit, dass sie so wenig Zeit mit ihrem Vater verbringen konnte. 

Jetzt weiß ich, dass eine gute Beziehung das ist was fehlt. Und wenn kein Wille auf beiden Seiten besteht, solch eine aufzubauen, dann hilft alle Zeit der Welt nicht. 

In den "7 Wegen" sagt Stephen Corvey, dass man auch die Henne pflegen und füttern muss und nicht einfach nur die Eier nehmen kann. Es ist die Beziehung, die wichtig ist. Alles andere kommt dann von alleine.

Je mehr ich lese, desto deutlicher sehe ich, wie alles zusammen hängt, wie ein Puzzle-Teilchen ins nächste passt. Lernen im echten Leben ist nur ein kleiner Teil. Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg.


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